Rastlos fort mit blindem Wagen
An des Berges finstern Ort.
Vor ihm her mit Windesschnelle
Flieht die zitternde Gazelle.
Auf der Felsen nackte Rippen
Klettert sie mit leichtem Schwung,
Durch den Riß zerborftner Klippen
Trägt sie der gewagte Sprung.
Aber hinter ihr verwegen
Folgt er mit dem Todesbogen.
Jetzo auf dem schroffen Zinken
Hängt sie, auf dem höchsten Grat,
Wo die Felsen jäh versinken,
Und verschwunden ist der Pfad.
Unter sich die steile Höhe,
Hinter sich des Feindes Nähe.
Mit des Jammers stummen Blicken
Fleht sie zu dem harten Mann,
Fleht umsonst, denn, loszudrücken,
Legt er schon den Bogen an;
Plötzlich aus der Felsenspalte
Tritt der Geist, der Bergesalte.
Und mit seinen Götterhänden
Schützt er das gequälte Thier.
„Mußt du Tod und Jammer senden,
Ruft er, bis herauf zu mir?
Raum für Alle hat die Erde!
Was verfolgst du meine Heerde?"
Schiller.
181. Die Bürgschaft.
Zn Dionys, dem Tyrannen, schlich
Möros, den Dolch im Gewände;
Ihn schlugen die Häscher in Bande.
„Was wolltest du mit dem Dolche, sprich!"
Entgegnet ihm finster der Wütherich. —
„Die Stadt vom Tyrannen befreien!"
„Das sollst du am Kreuze bereuen."
„Ich bin" — spricht jener — „zu sterben bereit
Und bitte nicht um mein Leben;
Doch willst du Gnade mir geben,
Ich flehe dich um drei Tage Zeit,
Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit.
Ich lasse den Freund dir als Bürgen,
Ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen."
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473
124. Julius Casar. (44 v. Chr.)
I.
Nicht lange nach Marius lebte ein junger Mann in Rom, mit
Namen Julius Cäsar. Der salbte sich fleißig mit wohlriechenden
Oelen und duftete schon von weitem. Er sahe blaß aus, war schwäch-
lich, und Niemand achtete sonderlich ans ihn. Desto mehr trachtete er
darnach, daß man auf ihn achtete; desto mehr bewarb er sich um die
Liebe des Volks. Sämmtlichen Einwohnern der Stadt gab er mehrere-
male die glänzendsten Feste, ließ z. B. einmal bei einem Kampfspiele
dreihundertzwanzig Paar Sclaven in silberner Rüstung gegen einander
auftreten, und machte am Ende — 15 Millionen Thaler Schulden.
Nun, das können freilich mehr Leute. Er hat's aber auch Alles wie-
der bezahlt; und das können nicht alle Leute.
Einmal fuhr unser Cäsar über's Meer, und siehe! da kamen
Seeräuber berangesegelt und nahmen das Schiff weg, auf dem sich
Cäsar besano, und die Leute, die darauf waren, auch. Da fragte
Cäsar die Räuber: „Was geb' ich euch, wenn ihr mich frei laßt?"
„Vier und zwanzig tausend Thaler", antworteten sie; denn sie merkten,
daß sie einen vor sich hatten, der es konnte. „Was?" antwortete
Cäsar, „nur vier und zwanzig tausend Thaler. Meint ihr, ich sei
nicht mehr werth? Ich will euch sechzig tausend Thaler geben!" Und
die Räuber hatten Nichts dagegen. — Wenn er Abends auf dem
Schiffe zu Bette gehen wollte, sagte er: „Jetzt ihr Spitzbuben, seid
mir ordentlich stille, daß ich gehörig schlafen kann; sonst geht's euch
schlecht!" und das rohe Matrosenvolk war mäuschenstill. Hatte er
Gedichte gemacht, so las er sie seinen Wächtern vor. Und wenn sie
dieselben nicht lobten, drohete er ihnen: Nun wartet, so bald wir ans
Land kommen, laß ich euch alle mit einander kreuzigen!" — Sie ka-
men auch bald an's Land. Cäsar ging zu seinen reichen Freunden
und erhielt von ihnen Geld und Schiffe. Mit dem ersten bezahlte er
redlich die schuldigen sechzig tausend Thaler, und mit den letzteren
segelte er den Räubern nach, nahm ihnen das Geld wieder ab, führte
sie gefangen zurück und ließ sie allesammt, Mann bei Mann, am Ufer
kreuzigen: denn er war ein Mann von Wort. — Aber bald verrichtete
er noch größere Kriegsthaten. Wären es doch auch eben so rühmliche
gewesen! — In Gallien (Frankreich) wohnten damals wilde, kriege-
rische Völker. Mit den Römern wollten sie freilich Nichts zu thun
haben, wohl aber die Römer mit ihnen; denn sie konnten durchaus
kein freies Volk an ihren Gränzen dulden. Cäsar wurde als Feldherr
dahin gesandt, sie zu unterjochen. Und es gelang ihm, wiewohl mit
vieler Mühe. Eine Million Gallier fiel im Kampfe gegen ihn. Die
zweite wurde gefangen und zu Sclaven gemacht. Da erst gehorchte
die dritte, die noch übrig war, und Gallien gehörte nun mit zum rö-
mischen Reiche.
Die Gallier waren ein sehr kriegerisches Volk. Um so größer
war nun natürlich auch Cäsar's Ruhm, der sie besiegt hafte. Und
auf diesen Ruhm war Niemand neidischer, als — Pomp ejus der
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Extrahierte Personennamen: Julius_Casar Marius Marius Julius_Cäsar Cäsar Cäsar Cäsar Cäsar Cäsar Cäsar Cäsar Cäsar
Extrahierte Ortsnamen: Rom Gallien Frankreich Gallien
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Große. Bald wurde dessen Neid auch offenbar. Er wußte es so ein-
zurichten, daß die Senatoren an Cäsar nach Gallien schrieben: „Lege
dein Amt nieder, und komme ohne Heer eilig nach Rom!" Vorher
warnte man den Pompejus wohl: „Nimm dich in Acht!" Aber der
stolze Mann antwortete: „Ich brauche nur mit dem Fuße ans die Erde
zu stampfen, und es erstehen Legionen!" Cäsar erhielt den Brief und
kam; — aber nicht allein, sondern mit seinen Legionen, wie ein Feind
aus fernem Lande. Damit begann der Bürgerkrieg.
Ii.
Pompejus hatte keine Legionen. Er mochte wohl mit dem Fuße
stampfen; aber es wollten keine erstehen. Da floh er nach Griechen-
land und sammelte sich dort ein Heer. Aber Cäsar eilte hinter ihm
her und besiegte ihn. Der „große" und der arme Pompejus eilte nun
nach Aegypten, wie die Taube, die vor dem Habicht in eine Fuchs-
höhle sich zu retten sucht. Die Aegypter brachten ihn um, als er in
einem ägyptischen Nachen von seinem Schiffe ab an das seichte Ufer
fuhr. Und seine arme Gemahlin sah das vom Schiffe aus mit an
und konnte nicht helfen. — Die Mörder meinten wahrscheinlich, mit
ihrer That ein gutes Trinkgeld beim Cäsar zu verdienen, aber Cäsar
ließ sie umbringen und dem Pompejus eine Ehrensanle errichten.
Pompejus war nicht mehr. Nach wenigen Jahren waren auch
alle seine Anhänger, waren alle Feinde des römischen Volks von Cäsar,
dem mächtigen Manne, besiegt. Mit großem Triumphe und mit vie-
lem, vielem Gelde kehrte dieser nun zurück nach der Hauptstadt der
Welt, nach dem mächtigen Rom. Von dem mitgebrachten Gelde legte
er achtzig Millionen in den Staatsschatz; von dem übrigen bezahlte er
seine Schulden, schenkte jedem gemeinen Soldaten tausend Thaler, den
Officieren natürlich mehr, jedem Bürger zwanzig Thaler, jedem Mieths-
manne die Miethe auf ein Jahr, gab kostbare, wochcnlange Feste und
endlich, nach Allem, tractirte er das ganze Volk in Rom in zweiund-
zwanzigtausend Zimmern, von denen jedes so voll Menschen war, daß
zwei große Fässer kostbaren Weins darin ausgetrunken wurden. Da
ging freilich viel Geld draus, aber Cäsar blieb dennoch ein reicher
Mann. Was muß der Alles zusammengeftohlen haben! Doch darum
kümmerte sich das Volk nicht. Das hmg ihm mit unaussprechlicher
Liebe an. Mehrere unter den Reichen waren aber damit unzufrieden,
daß Cäsar nun Alleinherrscher war: denn sie wollten eine Repu-
blik, in der, wie bisher, viele — die zwei Consuln und die neunhun-
dert Senatoren — herrschten. Ihrer Viele verschworen sich deßhalb
im Geheimen:. „Wir wollen den Ehrgeizigen umbringen!" Seht,
mit solchen Mordplänen waren die unerleuchteten Heiden immer
gleich bei der Hand. Der 14. März 44 v. Chr. ward zum Mord-
tage bestimmt. Cäsar's Frau bat am Morgen desselben Tages ihren
Mann dringend: „O, gehe doch heute nicht auf's Rathhans; denn
ich sahe dcese Nacht im Traume einen Adler ans dem Rathhaus-
dache, wie er jämmerlich von den Eulen zerrissen wurde. Und ich
fürchte, der Adler bedeutet Niemand anders, als dich!" — Bald
aber kamen die Verschwornen zu Cäsar und sagten: „Nun, Lie-
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